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EMDR-Therapie: Zurück ins Leben

Erfahrungen & Bewertungen zu FreyMuT Academy GmbH

Muss ein traumatisches Erlebnis einen Menschen sein Leben lang quälen? Nein, denn es gibt Abhilfe. In der Therapie traumatisierter Menschen setzt sich eine Methode immer stärker durch: EMDR, kurz für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich ein mächtiges Werkzeug, das traumatisierten Menschen ermöglicht, dysfunktional abgespeicherte Erinnerungen korrekt zu verarbeiten und dadurch Normalität und Lebensfreude zurückzugewinnen. 

 

Trauma ist leider immer noch ein Tabuthema, das viele im Dunkeln lässt, selbst während intensiver therapeutischer Behandlungen. Als jemand, der seit Jahren therapeutisch begleitet wird, habe ich diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht. Erst durch meine eigene Auseinandersetzung mit Psychotraumatologie wurde mir klar, wie sehr meine erlebten Traumata mein Leben beeinflussen – oft ohne dass ich es selbst erkannt habe. “Ach, deswegen bin ich so!” ist eine Entlastungsreaktion, die mich – viel zu spät – unglaublich entspannt hat und die ich wirklich jedem traumatisierten Menschen wünsche, der noch im Trüben fischt. 

 

Selbstannahme und eine gute Psychoedukation waren nötig, damit ich mich – im zweiten Anlauf –  überhaupt auf EMDR einlassen konnte. Die Versprechen darum haben mich neugierig gemacht. Ist die gut erforschte Konfrontationsmethode wirklich die Abkürzung zu langwieriger Gesprächs- und Verhaltenstherapie? Ich habe es ausprobiert und ich finde ja. EMDR kann tatsächlich der Turbo in der Traumaheilung sein. Vorausgesetzt, die Methode wird fundiert, im Kontext von modernem Traumawissen und einer traumapädagogischen Haltung eingesetzt. Denn EMDR ist ein mächtiges Tool in viele Richtungen, ungefähr so, wie mit Hammer und Meißel Kathedralen erbaut oder eingerissen werden können.

 

Trauma – immer noch Tabu?

Ich bin dankbar für jeden Abschnitt und alle Menschen entlang meines Heilungswegs – das vorweg. Auch wenn es vielleicht ein langsamer und möglicherweise umständlicher Weg war. Trotzdem wünsche ich mir, dass es für andere Betroffene etwas leichter und vor allem schneller geht. 

 

Trauma ist wie Leben rückwärts lesen: “Nebel”. Traumatisierte Menschen fühlen sich oft wie im Nebel, sind getrennt von der Normalität eines unbelasteten Lebens, ohne zu verstehen, was mit ihnen passiert. Im Gegenteil, sie schreiben sich sogar selbst noch Schuld und Unvermögen zu. So ging es auch mir. Aufgrund einer diagnostizierten Erschöpfungsdepression und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) wurde mir vor einigen Jahren ein stationärer Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik empfohlen. Ich wollte einfach nur wieder “normal” funktionieren und meinen Alltag bewältigen können. Die siebenwöchige Gruppentherapie hat mir sicherlich geholfen und einige Prozesse in Gang gesetzt, die sich bis heute positiv auswirken.

 

Im Rückblick hätte mich aber am stärksten entlastet, zu verstehen, was bei mir überhaupt los ist. Ich hätte gern verstanden, dass meine “Störungen” eine Trauma-Folgereaktion waren. Obwohl ich in der Traumagruppe platziert war, war das erlebte Trauma selbst nie Thema. Psychoedukation und eine Verortung meiner Symptome als völlig normale Reaktion auf ungewöhnliche Ereignisse in meiner Vergangenheit blieben mir vorenthalten. Auch in der darauf folgenden ambulanten Therapie lag der Fokus eher auf Verhaltensänderung und nicht darin, meine individuelle Traumalandkarte zu integrieren. Fünf Jahre nach meiner ersten Diagnose, war ich immer noch “Trauma-Legasthenikerin”. Begrifflichkeiten wie Selbstregulation, Ressourcenstärkung oder der stressorbasierter Ansatz waren mir unbekannt.

 

Auf diesem Stand erlebte ich meine erste EMDR-Sitzung, die mein Therapeut mit mir durchführen wollte und dann abbrach. Damals konnte ich diese “Spezial-Sitzung” nicht einordnen, das Setting verunsicherte mich. Ich stand so unter Druck, es “richtig” machen zu wollen, dass ein Prozess gar nicht erst in Gang kam. Die unbewussten Glaubenssätze, die Teil meiner Traumatisierung waren, hinderten mich daran, mich dem Prozess zu öffnen. Sätze wie “Ich bin nicht wertvoll/richtig” und “Ich habe keine Kontrolle” lähmten mich regelrecht. Doch was lief schief? Und warum war der zweite Anlauf erfolgreich?

EMDR-Basics

 

EMDR ist eine Konfrontationstherapie, die gut untersucht und von Krankenkassen anerkannt ist, um Traumata zu heilen. 

Der Ursprung

Die Verhaltenstherapeutin Francine Shapiro berichtete 1989 über ihre Beobachtungen zur entlastenden Wirkung von Augenbewegungen.

Sie initiierte eine systematische Untersuchung mit Versuchsteilnehmern und anschließend mit PTBS-Patienten. Ursprünglich vermutete sie, dass die Augenbewegungen zu einer Desensibilisierung führen würden. Es schien, als reagierten die Patienten nicht mehr so stark auf die belastenden Erinnerungen. Aufgrund dieser Beobachtung nannte Shapiro die Methode anfänglich Eye Movement Desensitization (EMD). Im Laufe der Zeit wurde jedoch klar, dass dieser therapeutische Prozess nicht nur eine einfache Desensibilisierung ist. Vielmehr handelt es sich um eine Neubearbeitung oder Reprozessierung von Erinnerungen. Folglich entwickelte Shapiro aus EMD die EMDR-Therapie.

Der Ablauf

Ein beispielhafter Ablauf für die korrekte Nachverarbeitung einer Traumatisierung durch EMDR könnte sein: Ein Patient hat als Kind einen tragischen Autounfall erlebt, bei dem er schwer verletzt wurde und einen geliebten Angehörigen verloren hat. Jahre später leidet er unter starken Ängsten, Albträumen und Flashbacks, die ihn immer wieder in die belastende Situation zurückversetzen.

 

In einer EMDR-Sitzung denkt der Klient unter Anleitung des Therapeuten an den Autounfall und die damit verbundenen traumatischen Ereignisse. Währenddessen folgt der Patient mit den Augen den Fingerbewegungen des Therapeuten und gibt konstant Rückmeldungen zu seinem Empfinden. Im Wechsel zwischen Fokus und Stimulation durch Augenbewegungen wird das Gehirn des Patienten stimuliert, um die traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten.

 

Während des Prozesses kann der Klient allmählich eine neue Perspektive auf das Trauma gewinnen, indem er das Geschehene aus einer sichereren und distanzierteren Position betrachtet. Mit der Zeit kann sein Gehirn die traumatischen Erfahrungen “ablegen” und sie in seine Erinnerung integrieren, ohne dass er weiterhin stark darunter leidet. Symptome wie Ängste, Albträume und Flashbacks nehmen ab oder legen sich ganz. 

 

Reicht eine 90-minütige Sitzung aus? Das hängt vom Grad der Traumatisierung, vom Erinnerungsvermögen der betroffenen Person und ihren individuellen Voraussetzungen ab.

Je nachdem, wie stark die emotionalen Grundbedürfnisse beeinträchtigt wurden, empfiehlt sich eine schichtweise Behandlung und längerfristige EMDR-Therapie. 

Lies hierzu auch gerne unseren Blog-Artikel zum Konzept der Emotionszwiebel.

 

Voraussetzungen für eine EMDR-Therapie

Voraussetzungen für das Gelingen einer EMDR-Therapie ist

  • ausreichende reale Sicherheit
  • ausreichende körperliche, soziale und psychische Stabilität und
  • eine ausreichende Affekttoleranz des Patienten.

Diese Einschätzung ist essentiell.

 

Doch mindestens genauso wichtig ist, dass die Traumatherapeutin oder behandelnde Person

  • sehr gut ausgebildet ist
  • den Raum vertrauensvoll halten kann
  • keine Angst vor Re-Traumatisierung hat und 
  • nicht krampfhaft am Standardprotokoll (systematische Phasen einer Sitzung) festhält. 

 

Das war sicherlich einer der Gründe für die negative Erfahrung während meiner ersten EMDR-Sitzung. In meiner Wahrnehmung standen für den Therapeuten die Konfrontation und die Integration im Vordergrund, während er Ressourcenorientierung und die traumapädagogische Haltung vernachlässigt hat.

 

Im Gegensatz zu meiner ersten Erfahrung mit EMDR, die sowohl für den Therapeuten als auch für mich frustrierend war, war mein zweites Erlebnis äußerst positiv. Auslöser war eine berufliche Konfliktsituation, die mich gedanklich nicht mehr losließ und auch Tage nach dem Ereignis unangenehme Gefühle hervorrief, die meinen Alltag deutlich beeinträchtigten. Inzwischen war ich mit dem Trauma-ABC vertraut und vermutete, dass diese Blockade eine Reaktion auf ein traumatisches Ereignis war.

 

EMDR wirkt auf vier Ebenen

 

So vereinbarte ich einen Termin bei einer erfahrenen EMDR-Therapeutin der Freymut Academy. In der gründlichen Anamnese verschaffte sie sich einen umfassenden Überblick über meine Situation und meinen Zustand. Sie erklärte mir den Ablauf der bevorstehenden EMDR-Sitzung und sorgte jederzeit dafür, dass ich mich sicher fühlte. Die Traumatherapeutin bereitete mich darauf vor, dass die Reise zu vergangenen Erlebnissen unangenehm sein könnte. Gleichzeitig versicherte sie mir, dass sie stets an meiner Seite sein werde, um mir bei der Regulation meiner Emotionen zu helfen.

Jetzt war ich zuversichtlich und gut informiert über den bevorstehenden EMDR-Prozess und genau dieser Punkt war der Gamechanger.

 

Einmal Hölle und zurück

Wir trafen uns online über Zoom und statt über Augenbewegung bekam mein Gehirn Impulse über Klopfbewegungen auf die Oberschenkel. Die Therapeutin überwachte am Bildschirm meine Bewegungen und schickte mich so in den Prozess. Sie stellte mir abwechselnd Fragen, leitete mich an und überprüfte ständig mein körperliches Befinden. So landete ich in meiner Vorstellung und mit meinen Emotionen – für mich überraschend –  in einer lange zurückliegenden Situation, die offenbar immer noch Auswirkungen auf meine Gegenwart hatte. In dieser Situation eines heftigen Ehestreits fühlte ich mich hilflos, ohnmächtig und wollte gleichzeitig meine kleinen Kinder beschützen. Ich spürte sowohl Scham- und Schuldgefühl aufsteigen, als auch Wut gegen den Aggressor von damals. Aus der Distanz und im Austausch mit der Therapeutin konnte ich diese Gefühle besprechen, die Situation neu einordnen, so lange, bis die Intensität der Gefühle und der Schmerz deutlich nachließ. Gemeinsam brachten wir die Vergangenheit dann in Kontext zu dem aktuellen Konflikt. Direkt nach der Sitzung fühlte ich mich bereits deutlich leichter. Der aktuelle Konflikt hatte auf einmal keinerlei Macht mehr über mein Wohlbefinden. Meine Grundstimmung nach der Sitzung war dann noch einige Tage gedämpft und fühlte sich an wie ein Seelen-Muskelkater, der dann aber allmählich komplett verflog. 

 

Ich habe es erlebt: EMDR kann die Vergangenheit in ein neues Licht rücken, wenn auch nicht ungeschehen machen. Es ist, als ob ich mit dem Verbandskasten an die Stelle gelotst wurde, wo die Verletzung geschehen ist. Die Reise zurück zum traumatischen Erlebnis und die Neubearbeitung dieser Erinnerung war schmerzhaft, doch unglaublich kraftvoll und heilsam. EMDR beeinflusst die tief im Körper liegenden Spuren des Traumas. Es versorgt rückwirkend nicht erfüllte emotionale Grundbedürfnisse und wirkt auf vier Ebenen: 

1.Bildgebende Ebene

Die EMDR-Behandlung ermöglicht es, dass der Schmerz belastender Erinnerungen und Bilder weniger wird und verblasst. Durch die Klopf- bzw. Augenbewegungen wird das Gehirn stimuliert, die traumatischen Erinnerungen neutraler zu betrachten. Dadurch werden die Erinnerungen weniger belastend und verlieren ihre emotionale Wirkung.

2.Emotionale Ebene

Während der EMDR-Sitzung können intensive Emotionen aufkommen, die zuvor möglicherweise unterdrückt oder nicht reguliert werden konnten. In meinem Fall wurden Gefühle wie Hilflosigkeit, Ohnmacht, Scham, Schuld und Wut gegenüber dem Aggressor aus der Vergangenheit aktiviert. Durch den Prozess der EMDR-Therapie und Co-Regulation der Therapeutin konnte ich diese Emotionen jedoch besprechen, neu einordnen und schließlich reduzieren. 

3.Körperliche Ebene 

Es ist der Körper, der Trauma trägt. Traumata sind im zentralen Nervensystem gespeichert, was sich auch in körperlichen Symptomen wie Anspannung, Schmerzen oder anderen Beschwerden äußern kann. Durch die EMDR-Behandlung erfolgt ein Zugang zum autonomen und lymbischen System des Zentralnervensystems. Dort können die körperlichen Reaktionen reduziert werden und Betroffene erfahren tiefe Entspannung.

4.Kognitive Ebene

Die EMDR-Therapie kann auch auf der kognitiven Ebene wirken, indem negative Überzeugungen wie “hilflos”, “ohnmächtig”, “schuldig” oder “wertlos” durch positive Überzeugungen ersetzt werden. Durch den Prozess der Neubewertung und Neuordnung der traumatischen Ereignisse können neue und gesündere kognitive Muster entstehen. Der Betroffene kann sein Selbstbild verbessern und Selbstakzeptanz entwickeln. EMDR nimmt dem Trauma das Drama. 

Zusammenfassung

 

EMDR-Therapie wird sowohl bei chronischer und komplexer PTBS als auch bei akuter Traumatisierung angewendet. Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Anerkennung durch den wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie als evidenzbasierte Behandlungsmethode für die PTBS bei Erwachsenen wichtig. Es gibt auch Hinweise auf ihre Wirksamkeit bei Schmerzstörungen, Angststörungen, stoffgebundener Abhängigkeit und rezidivierender Depression.

 

EMDR wird auch im Coaching eingesetzt, um bestimmte Blockaden oder negative Glaubenssätze zu adressieren, die das persönliche oder berufliche Wachstum behindern.

 

In jedem Fall ist eine fundierte, praxisorientierte Ausbildung mit traumapädagogischer Ausrichtung die Grundlage für das Gelingen einer EMDR-Therapie. Hier kannst du dir einen Überblick über die aktuellen Ausbildungsangebote der Freymut Academy machen. 

 

Die Anwendung der EMDR-Therapie ist nicht geeignet in Fällen von

  • Akuter Suizidgefahr
  • Unkontrolliertem Drogenkonsum
  • Massivem selbstverletzendem Verhalten
  • Akuter Psychose

Persönliche Reflexion

 

Die Reise durch die EMDR-Therapie hat mir gezeigt, wie machtvoll dieses Werkzeug in die eine oder andere Richtung sein kann. Einmal hat es alte Überzeugungen (“Ich bin nicht wertvoll”) noch verstärkt, beim zweiten Mal enorme Erleichterung geschaffen. 

 

Rückblickend sehe ich, wie wichtig es ist, dass traumatisierte Menschen eine fundierte Psychoedukation erhalten und verstehen, dass ihre Reaktionen auf belastende Ereignisse völlig normal sind. Eine solide Basis des Wissens über Trauma und seine Auswirkungen kann den Weg zur Heilung erheblich erleichtern.

 

Meine erste Begegnung mit EMDR war holprig, mein zweiter Versuch dafür umso schöner. Die Erfahrung, selbst in der Lage zu sein, meine Sichtweise auf traumatische Ereignisse zu verändern, ist unglaublich stärkend. Wie krass, einfach so die Vergangenheit im Kopf und im ganzen System korrigieren und klären zu können?

 

Ich bin dankbar für die kompetente Begleitung meiner EMDR-Therapeutin, die mir geholfen hat, meine traumatischen Erfahrungen sicher zu verarbeiten. Ihre einfühlsame Unterstützung und ihre professionelle Führung haben mir sehr geholfen. Auch meinem Therapeuten bin ich sehr dankbar für den kleinen Umweg, der mich letztlich weitergebracht hat. 

 

EMDR ist keine Allzweckwaffe, die die Vergangenheit ungeschehen machen kann.  Aber es ist ein kraftvolles Werkzeug, das Menschen dabei helfen kann, ihre traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten. Aus dem Nebel zurück ins normale Leben finden. Das wünsche ich allen, von Trauma betroffenen Menschen und allen, die unter ihrer Vergangenheit leiden. 

 

Jenniver Kühne für die Freymut Academy